Die laufende Pre-Alpha für Edengard, Ankündigungen für Jurassic World Survivor sowie New Dawn und die Berichterstattung rund um Conan Exiles wirft bei mir die Frage auf: Brauchen wir wirklich so viel Survival? Spaßeshalber, und natürlich für diesen Artikel gab ich „survival“ in die Suche der Verkaufsplattform Steam ein und wurde mit schlappen 2984 Ergebnissen belohnt. Ein Teil der Suchergebnisse ist natürlich zu vernachlässigen. Zwar würde es mir persönlich nicht leicht fallen Train Simulator zu spielen dessen Add-On aufgelistet wir, von Lebensgefahr und Survival kann bei diesem Spiel aber wohl kaum die Rede sein.
Nur was sind das alles für Survival-Pixelmeisterwerke. Kämpft man wirklich immer um das blanke Überleben auf der Suche nach wärmendem Feuer und Nahrung? Steam bietet uns Story-Perlen wie „Girl Amazon Survival“ dessen Beschreibung unsere Phantasie anregt: „Kampf mit den Banditen und Zombies. Jagen die Tiere, bauen das Haus.“ Nicht unbedingt eine Sternstunde der Übersetzungskunst „Sie wachte neben gefallen mit dem Flugzeug.“ Ich spare mir die 2,99 Euro für diese Early Access-Perle, aber das Lesen der Spielbeschreibung kann ich nur empfehlen.
Vielleicht sollte ich in unbekannte Universen aufbrechen. Space Survival hört sich doch interessant an. Endlich selber einen großen Schritt für die Menschheit machen? Überleben auf fremden Planeten? Warum nicht. Leider entpuppt sich Space Survival dann doch als langweiliger Asteroids-Clon.
Wie wäre es denn mit Abtauchen? Subnautica gilt ja als recht erfolgreicher und gelobter Vertreter des Genres. Ob mir der feuchte Traum aller fränkischen Sporttaucher auch so gut gefällt wie einigen Kritikern, wage ich zu bezweifeln. Für mich sind Atembalken der Inbegriff des Bösen. Ich habe sie schon immer gehasst. Eine Tätigkeit die ich üblicherweise problemlos erledigt hätte, wird durch Zeitdruck erschwert. Da springt man in den nächstbesten Tümpel, um einen Schatz zu bergen und bekommt unweigerlich und unumgänglich einen Atembalken eingeblendet, der anzeigt wie viel Zeit bis zum Wasserleichenzustand meiner Spielfigur verbleibt. Schon macht es mir weniger Spaß nach Schätzen zu suchen. Na Prost Mahlzeit! Das nennt man dann wohl negative Verstärkung.
Stichwort Mahlzeit, natürlich kann man diese Mechanik auf diverse andere Ressourcen übertragen, sei es Nahrung oder der Flüssigkeitshaushalt, Luft oder jedes andere Grundbedürfnis der Spielfigur, welches sich in Balkenform abbilden lässt. Ist das jetzt schon Survival?
So ganz erschließt sich mir noch nicht was Survival denn im Kern bedeutet. Ich persönlich hielt es, in meiner zugegeben oberflächlichen Betrachtung, vorerst für eine der unspektakulärsten und uninspiriertesten Spielmechaniken.
Grund für mich, einige Survivalgame-Spieler zu fragen was sie persönlich an diesen Spielen reizt. Zieht man alle Komponenten wie etwa Loot, Crafting, Exploration, Aufbau oder Kampf ab, die andere Spiele ohne „Survival“-Aufkleber auch bieten, bleibt als Quintessenz der Zwang am Leben zu bleiben, und die dadurch entstehende Realitätsnähe. Mir scheint es als sei ein Survival-Spiel ohne künstlich erzeugter Knappheit von lebenswichtigen Ressourcen wie etwa Luft und Nahrung, oft nur ein Sandbox-Spiel.
Ist es also wirklich die erzwungene Realitätsnähe, die den Unterschied macht? Und ist Realität nicht genau das, was uns in die Traumwelt Computerspiel „flüchten“ lässt? Hat man uns das nicht jahrelang eingeredet? Wollen wir nicht alle Drachen jagen, Jungfrauen retten, Weltreiche errichten und, um das Fantasy-Klischee nicht zu sehr zu bemühen, als waffenstarrender Cyborg fremde Galaxien unsicher machen. Das ist, zumindest bis auf Jungfrauen retten, in der heutigen Gesellschaft alle nicht mehr so einfach, selbst Jungfrauen retten… aber ich schweife ab.
Dankenswerterweise haben sich ja genug Entwickler unserer Wünsche angenommen und dies in digitalen Welten ermöglicht. Realitätsfern mit feuerspeienden Echsen, fiktionalen Universen und ohne Jungfrauenknappheit. Warum diese fantastischen Spielwiesen nun mit aller Macht und dem Jubel vieler Spieler wieder in die Realität zurückgeholt werden, bleibt mir vorerst schleierhaft. Möchte ich mir als Cyborg wirklich Gedanken machen müssen wo die nächste Toilette ist?
Doch auch das ist, so ließ ich mich belehren, zu kurz gedacht. Auch Survival-Spieler wollen nicht nur digitale Unterhosen waschen oder Beeren pflücken. Einsam auf einer Insel überleben müssen und sich mit den Eingeborenen rumschlagen, ist eben auch eine Traumwelt. Wenige Menschen werden wohl die Chance bekommen Dinos zu zähmen und sollte nicht etwas ganz böse aus dem Ruder laufen, sind auch Zombie- Apokalypsen nicht zu erwarten.
Vielen Survival-Spielen geht es um das Entdecken der Spielwelt. Die Aufgabe zu Überleben bildet nur den Antrieb und gibt die Richtung vor. Nicht starr wie so viele Questfolgen in klassischen MMOs, in welcher man von Pontius zu Pilatus geschickt wird. Quests, die so gar nicht zum gespielten hochleveligen Helden-Charakter passen möchten. Man besinnt sich im Questdesign also auf unangreifbare Grundbedürfnisse und gibt dem Spieler nachvollziehbare und naheliegende Aufgaben. Das macht es sowohl Spieler als auch Entwickler relativ einfach.
Das ist lobenswert und vielleicht auch ein Armutszeugnis zugleich. Lobenswert, weil Spieler es leid sind mit Charakterlevel 99 noch Steine für Orks hacken zu müssen. Lobenswert, weil Entwickler diesen Zwiespalt erkannt haben. Aber ist es nicht ein Armutszeugnis das die Entwickler es nicht geschafft haben uns mit glaubwürdigeren Aufgaben zu fesseln und uns einen Sinn, einen Antrieb, für die Erkundung ihrer Welten zu liefern außer dem blanken Überlebenswunsch.
Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto klarer wird mir, Survival ist gar nicht so revolutionär neu wie man uns an allen Ecken glauben machen möchte. Oft ist es nur eine Spielwiese, ein Sandkasten der einen zusätzlichen Antrieb erhalten hat sich in ihm zu tummeln.
Mich stört an vielen Titeln jedoch genau dieser Zwang, welcher erzeugt wird um mich zu motivieren mir die Spielwelt anzuschauen. In vielen MMOs ist es mir überlassen wie ich mein Spielerlebnis gestalte, in Survival-Titeln hingegen hängt immer ein drohendes Damoklesschwert über mir. Für mich ist das kein Zugewinn. Ich tauche auch ohne Atembalken nach Schatztruhen. Die Voraussetzung ist eine faszinierende und spannende Welt. Oft wirkt der Surival-Ansatz dann doch so als hätte man sich Arbeit erspart. Das Questdesign entfällt, für eine Handlung genügt ein Anfangsszenario „Sie wachte neben gefallen mit dem Flugzeug.“ und die Welten in denen man um sein Überleben kämpft, sind oft detailarm, wenn nicht sogar langweilig.
Letztlich zwingt mich niemand entsprechende Spiele zu spielen, doch bleibt die Faszination darüber wie viele Entwickler derzeit auf den Zug aufspringen. Ich ahne ein nahendes Fiasko, denn ich glaube letztlich nicht daran, dass diese Mechanik Spieler lang genug fesseln kann. Und selbst wenn, denke ich nicht das es genug Spieler für alle angekündigten Titel geben wird. Möglicherweise kannibalisieren sich die Titel schnell untereinander.
Für mich bleibt die Frage, ob wir wirklich so viel Survival brauchen, unbeantwortet.
Letzte Worte