Die Autoren von Spiegel online enthüllen: Moralverfall durch Computerspiele! Genau dieses Gefühl beschlich mich als ich heute morgen den Artikel über den Egoshooter „Call of Duty: Black Ops II“ las. Erst einmal verwundert, dass gerad der Spiegel moralische Werten predigt, blieb es nicht aus, dass mich der Artikel fesselte.
Oberflächlich natürlich mal wieder durch die bluttropfende Einleitung, nur ein geschockter Leser ist ein williger Leser. „Blutrausch“ „Machete“, „Maschinengewehr“ und „Afrikaner abschlachten“. All diese schönen netten Schlagworte kann man natürlich im ersten Satz eines Artikels unterbringen… Aber die Faszination dieses Artikels lag nicht in seiner bereits deutlichen Färbung nach dem ersten Satz.
Faszination, nicht weil er so umfangreich und gut recherchiert war, nicht weil er, wie so häufig wenn es um Computerspiele geht, schlecht recherchiert war. Nein diesmal machte mich die Grundidee des Artikels stutzig. Wird doch als Quintessenz klar, für den Autor bietet das Spiel zu wenig moralisch einwandfreie Entscheidungen.
Uhmm… ok Activision „wirbt“ mit dieser Handlungsfreiheit. Aber mal ehrlich, in einem Egoshooter erzieherisch wertvolle Elemente in Form von großen neongelb-blinkenden Schildern mit der Aufschrift „Schießen ist böse, reden bringt XP!“ zu erwarten ist dann vielleicht auch ein etwas zu naiver Ansatz für diese Materie.
Man ist geneigt dem Autor mangelnde Erfahrung vorzuwerfen. Wirbt ein Zoo etwa mit dem „kleinsten Elefant der Welt“ könnte man mit der Erwartungshaltung einen Besuch antreten, das gezeigte Tier müsse zumindest in eine Streichholzschachtel passen. Hat das Tier dann doch eher Umzugskarton-Ausmaße, mag man enttäuscht sein. So enttäuscht, dass man darüber einen Artikel schreiben muss, ist man wohl nur, wenn man zuvor noch keinen Elefanten gesehen hat.
Wie dem auch sei. Die Frage war ja warum die moralisch einwandfreien Handlungen in CoD:BOII so in den Hintergrund treten. Natürlich zitiert Spiegel die Entwickler. Spieler würden nicht moralisch, sondern nach ihren Vorteil und den Fortschritt im Spiel entscheiden, so wäre es vergebene Liebesmüh eben jene Möglichkeiten zu schaffen.
Was hatte man denn erwartet? Ein ethisches Schulungsprogramm, dass unterhaltsam jungen Erwachsenen jene Moral lehrt, die in unserer Leistungsgesellschaft abhanden gekommen ist? So etwas erwarte ich persönlich nicht mal von Onlineportalen wie etwa Spiegel.de.
Einziger Lichtblick, der Spiegelautor verweist auf den Kontext in welchen entsprechende Entscheidungen getroffen werden sollen/können. Aber keinen Halbsatz später Gibt es für CoD wieder den Knüppel auf den Kopf, denn dort würde alles im Explosionswahnsinn und Effektfeuerwerk des Spiels untergehen….
Hum… ich bin, bei Gott, kein Soldat. Habe den Wehrdienst verweigert und Zivildienst geleistet. Auch habe ich nicht die blasseste Erfahrung wie sich ein Kriegsszenario anfühlt oder wie man dort handelt. Doch dass die moralische Entscheidung bewusst erst im „Kampfgeschehen“ gefällt wird, wage ich zu bezweifeln.
Und ehrlich, Computerspiele sind Entertainment, nicht mehr, nicht weniger. Vielleicht erkennen das irgendwann auch Autoren beim Spiegel. Wenn nicht, freu ich mich auf Filmbesprechungen des kleinen Hobbits in denen wir lesen dürfen wie ein Autor kritisch hinterfragt ob man Orks nicht vielleicht durch ein gutes Gespräch davon überzeugen kann wie unmoralisch ihr Ansinnen ist dem Hobbit den Schädel einzuschlagen.
Man möge mich nicht falsch verstehen, ich bin bei leibe kein Verfechter des Spiels CoD und ich würde mir wünschen, dass Wege gefunden werden moralische Grundlagen zu vermitteln. Nur gehören diese Versuche für mich in Schulen mit kleinen Schülerzahlen pro Klasse, gezielte Förderung einzelner, soziale Projekte, Freizeit- und Sporteinrichtungen sowie in die Hände von nicht durch zwei Jobs belastete Eltern. Eben all jenes, was heutzutage der Turbokapitalismus zum Opfer gefallen ist.
Die naive Betrachtung Computerspiele wären schuld, wird auch nicht wahr nur weil man die Argumentationskette diesmal von einer anderen Sichtweise aufgezogen hat.
Der Autor schließt mit dem Satz: „Immerhin – zum Nachdenken zwingen sie den Spieler ohne Zweifel.“
Da mag ich ihn doch glatt einstimmen und ende meinen Artikel mit:
Immerhin – zum Nachdenken zwingt dieser Artikel den Leser ohne Zweifel.
In diesem Sinne
Euer Erzkanzler
P.S.: ich verlinke den Artikel mit Vorsatz nicht, er lässt sich aber auf dem entsprechenden Onlineportal schnell finden.
Letzte Worte