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Jun 15

Du kommst hier nicht rein!

Oder, was Arenanet richtig macht. Ja, auch ich durfte den Satz „Du kommst hier nicht rein!“ schon einmal hören. Ich hatte auf einem Jonny Cash-Coverband Konzert vielleicht ein Bier zu viel und habe dies durch ein kleines Nickerchen auf der Bank vor dem Veranstaltungsort kompensieren wollen. Als ich den Weg zurück antreten wollte, war der Türsteher wenig begeistert.

Diese verständliche Situation soll Auftakt sein, für die Erklärung einer in der MMO-Entwicklung häufig genutzten Mechanik und ihrer Schwächen. Um die Sinnlosigkeit dieser Mechanik deutlich zu machen, werde ich einen Vergleich wählen, der sicherlich überspitzt ist, aber deutlich macht, wo die Schwächen liegen.

Clubs in Deutschland haben meist eine Altersbeschränkung. Ist man nicht zumindest 16 Jahre alt, bleibt einem der Zutritt verwehrt. Das ist sicher keine schlechte Entscheidung. Und wenn wir bei diesem Bild bleiben, ist eine Levelbeschränkung für Instanzen vielleicht auch keine grundfalsche Idee. Das Grundverständnis des Spieles sollte schon vorhanden sein, so man sich mit anderen, potenziell unbekannten, Mitspielern auf ein gemeinsames Abenteuer einlässt.

„Du kommst hier nicht rein!“ schreit mir ein Entwickler entgegen. Mir fehlt Fokus, Härte, Strahlen oder Gearscore. Ich darf diesem Club also nicht betreten. Erreichen kann ich die Zutrittsberechtigung nur durch Items.

Man möge mir Chauvinismus unterstellen, aber dies bin ich bereit zu akzeptieren, wenn es der Wahrheitsfindung dient.

Die Übertragung ins reale Leben lässt sich gut verdeutlichen, gehen wir von „nerdigem“ Aussehen des Protagonisten aus und ersetzen „Items“ durch eine schöne Frau an seiner Seite.

Ergo darf ich den Club nicht betreten, solang ich nicht eine gutaussehende Frau mein Eigen nennen kann. Mehrmalige Barbesuche bringen mich nach diversen Rückschlägen jedoch unverhofft in die Situation eine wunderschöne Dame an meiner Seite begrüßen zu dürfen. Meine goldene Eintrittskarte!

„Du kommst hier nicht rein!“ schallt es mir entgegen, denn diesen Club darf ich laut Clubregeln nur betreten wenn ich vier Freunde mitbringe. Was an sich kein Problem wäre, kostet es zwar Überzeugungskraft, doch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen… (klar steht die auf dich, der Drink im Gesicht war eine Freundschaftsbekundung) schaffe ich es, meine Bekannten von der 8-bit Umsetzung des Retro-Klassikers Half-Life loszueisen.

Nun sind wir fünf, darf ich…

„DU KOMMST HIER NICHT REIN!“

Na gut es war ja einen Versuch wert. Aber natürlich gilt die „Frauen-Regelung“ auch für meine Freund. Möchte ich den Club betreten, bleibt mir nichts anderes über, als auch meinen Nerd-Freunden vorzeigbare Freundinnen zu verschaffen. Also treiben wir uns die nächsten Wochen mehrfach in Kneipen herum. Nicht immer haben alle Zeit oder Lust. Teilweise kämpfe ich gegen unüberwindbare Hindernisse. Ein Retro-Nintendo-NES Abend wiegt, ab und an, mehr als die wage Aussicht auf eine unerreichbar scheinende Freundin.

Monate und extrem viele unfruchtbare Abende später ist es dann soweit, wir alle haben gutaussehende Freundinnen. Die Hürde ist gemeistert. Endlich betreten wird die heiligen Hallen. Verdammt noch eins, WIR SIND DRIN! Und wir haben Spaß.

Doch unter der Hand erzählt man uns von einem Club der noch viel exklusiver und noch viel interessanter sein.

Unseren Ruhm hatten wir nicht ausgekostet. Denn es gilt, schaffst du es in den Club, prahlst du nicht damit. Wer hackt schon auf jemandem ohne gutaussehender Freundin herum. Das hat man nicht nötig. Das macht man nicht.

Die nächste Hürde ist höher. Kommt man doch in den exklusiveren Club nicht etwa mit seinen hart erarbeiteten vier Freunden, nein für diese Herausforderung muss man 20 Freunde haben.

Doch mal ehrlich, wer hat schon 20 Freunde mit, nicht etwa das wir das vergessen, mit jeweils einer gutaussehenden Freundinnen. Es bleibt also kaum eine andere Chance, man muss rekrutieren. Im Zuge dessen leiden auch die Aufnahmekriterien für den Rang „Freund“. Wenn 19 Freunde hechelnd vor dem ersehnten Club stehen, fragt man unter Umständen auch mal einen Außenstehenden der mehr durch seine Partnerin als durch seinen Charakter interessant wirkt.

Selbst mit einem grundsozialen Ansatz kommt man hier nicht weit. Nehmen wir einen Durchschnittswert von 4 Kneipenbesuchen an um einem Mitglied eine passende Partnerin zu „besorgen“, sind wir bei 20 Mitgliedern schon bei schlappen 80 Kneipenbesuchen.

Ganz davon abgesehen, dass es unmöglich erscheint meiner Freundin zu vermitteln, dass 80 Kneipenbesuche nötig sind, grenzt es an Zauberei, alle 20 Freunde dazu zu motivieren, jedes verdammte Wochenende in den gleichen Club zu pilgern, gerad wenn sie bereits zu den Glücklichen gehören die eine Freundin haben.

Doch genau dies verlangen MMO´s von Ihren Nutzern. Leidensfähigkeit ist derzeit die ausschlaggebende Größe.

Einzig Arenanet scheint mit Guild Wars 2 diese Tretmühle im Bereich der AAA-Titel durchbrechen zu wollen. Guild Wars 2 scheint frisch, unkonventionell und innovativ.

Der Türsteher fragt mich nach meinem Ausweis um mein Alter zu verifizieren, mehr aber nicht. Spielfreunde steht im Vordergrund, nicht Fleiß und Leidensfähigkeit.

Für all jene, die sich in jahrelanger Arbeit einen Dunstkreis von Freunden mit vorzeigbaren Freundinnen erarbeiteten, mag Arenanet den falschen Weg gehen, doch betrachtet man es rational, Arenanet geht einen ehrlichen Weg.

Ob diese Idee sich über längere Zeit halten lässt, wird sich zeigen müssen. Aber es ist eine angenehme Idee, einfach nur zu spielen. Spaß zu haben und ein Spiel zu genießen ohne „falsche“ Freunde akzeptieren zu müssen, um weiterhin spielen zu können.