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Mrz 07

Hilde kocht!

„Wie arm, da sitzt du echt den ganzen Abend vor´m Bildschirm?“

 

Oh ja, diesen Satz haben wir wohl alle schon mal in dieser oder ähnlicher Art gehört. MMO-Spieler sind zwar schon lange keine Randgruppe mehr aber die Vorurteile bleiben bestehen.

 

Noch faszinierender als die lange Halbwertzeit solcher Klischees ist es aber welches Bild die „normalen“ Menschen bekommen, wenn man versucht die Faszination des Ganzen zu erklären.

 

Ich: Also da sitzt man ja nicht alleine vor dem Rechner, sond…

 

Er: Wie nich alleine? Ach so in so nem Computercafé oder wat?

 

Ich: Ne quatsch, schon zuhause aber eben jeder vor seinem Rechner.

 

Er: Wie, und dann schleppen die alle ihre Rechner zu dir.

 

Ich: Ne übers Internet eben. Also jeder sitzt allein vor seinem Rechner und wir treffen uns im Spiel.

 

Er: Ach so nen Internet-Chat wie auf den Pornoseiten immer?

 

Spätestens an diesem Punkt der Unterhaltung merkt man bereits, meine Art das Internet zu nutzen ist zwar irgendwie sportlicher, aber er kommt häufiger ins Schwitzen. Na egal, das es im Internet leicht bekleidete Frauen zu sehen gibt, wusste ich ja auch schon vor Final Fantasy.

 

Ich: Ja so in etwa, nur das wir dann zusammen Monster verhauen.

 

Er: Und du kennst die anderen nicht mit denen du da chattest?

 

Ich: Ich chatte da ja nicht nur, aber nö nicht so wirklich aber wir benutzen ja Teamspeak… also so was wie Telefon nur übers Internet.

 

Er: Echt? Das geht? Und was erzählt man sich da dann so?

 

Ich: Na stell dir mal vor Du spielst mit Onkel Harald „Mensch ärgere dich nicht!“ da unterhältst dich doch auch mit dem.

 

Er: Du erzählst denen im Internet von meiner Darmspiegelung?

 

Ich: Ne nicht von deiner….

 

Er: Wissen die nu auch wie schlecht die Hilde kocht?

 

Ich: Ehm, wir unterhalten uns eher über das Spiel, du weißt ja wir verhauen Monster.

 

Er: Ja ich würd die Hilde ja auch gern ma verhauen, aber besser kocht die dann immer noch nicht.

 

Ich: So schlimm kocht die Hilde doch auch nicht.

 

Er: Is ja auch egal, ihr sitzt also den janzen Abend vorm Computer. Das ist aber schon ziemlich verblödend oder?

 

Ich: Sach ma, wie war denn gestern der Tatort?

 

Er: Ach du dat war wieder der aus München, du weißt doch den schau ich nicht so gern, hab dann den Jauch geschaut und dann kam noch so ne Reportage über Flusskrebse.

 

Ich: Uhm ja…

 

Er: Und ihr sitzt dann echt den ganzen Abend vor dem Ding ja?

 

Es wurde noch ein langer Abend, ich hab meinen Raid verpasst und er hat bis heute die Faszination von Onlinespielen nicht verstanden. Wenigstens die klassischen Vorurteile sind mir halbwegs erspart geblieben. Er weiß, zum Amoklauf brauch ich keine Computerspiele, da reicht die Realität.

 

Nur zur Sicherheit, das war eine rein literarische Aussage. Ich plane keinen Amoklauf und obwohl ich Brot esse und einen Computer besitze. Hat jemand eigentlich mal geschaut ob Stalin insgeheim Counter Strike gespielt hat? Na egal, anderes Thema ich wollt mich ja nur absichern.

 

Immer wieder auch gern gehört:

 

„Warum spielst du denn im Internet, du siehst doch ganz passabel aus und Freunde hattest du doch auch mal. Lass uns ma mit der Else nen Bier trinken gehen vielleicht kommst dann ja da raus.“

 

Onlinespieler sind also hässliche Uhus, einfach mal duschen dann müssen die auch nicht mehr im Internet nach Freunden suchen. Der arme Junge verkommt doch zunehmend. Hätt der ma ne Freundin…

 

Gut, meine Freundin spielt Kriegerin ist bildschön und der Kleene ist zwar erst 16 Monate alt, aber als ich vor kurzem darüber nachdachte ob ich wirklich ein Zombiespiel spielen sollte während er auf meinem Bein sitzend auf den Bildschirm starrt, fauchte er den Monitor an und ich erwachte fast rechtzeitig genug aus meinen Gedanken bevor mir der Untote in den Hals biss.

 

Er ist halt noch klein, noch kostet mich das ganze keinen eigenen Rechner und Account für ihn. Aber die Zeit wird kommen, da bin ich mir sicher.

 

Wirklich schräg wird es allerdings beim Thema „Sucht“.

 

„Auf RTL hab ich gesehen in Holland gibt’s jetzt was gegen Computerspielsucht, ich kann da noch mal schauen ob ich das find, vielleicht wäre das ja was für dich.“

 

Mal ehrlich, wenn ich bei allem was ich gerne und häufig tue RTL fragen würde ob das normal ist… ich wäre ne eigene Reality-Doku.

 

Geht es nach den Medien, darf man zwar über die Cebit berichten, für Electronic Arts Werbung machen, sich Gewinnspiele von www.billiger-notebookschrott.de finanzieren lassen, nur bitte, bitte niemals auf die Idee kommen diese bösen Spiele zu spielen. Es sei denn, man plant einen Amoklauf oder will sein Herz in einer Talkshow auskippen. Wenn die Familie unter der bösen Sucht leidet, könnt man auch so nen Realtity-Dingens draus machen, allerdings müsst man da dann noch nen paar Assibratzen casten die dann die Unterschichten-Familie darstellt.

 

Die Medienwelt ist nicht unschuldig an dem verschobenen Bild das Spielern immer wieder an den Kopf geworfen wird. Da schwingt auch gern mal ein wenig der Neid mit, sind die Verkaufszahlen von Computerspielen doch seit Jahren höher als jede TV-Quote.

 

Kaum ein Medienschaffender der sich trauen würde über TV-Formate auch nur nachzudenken die sich mit Computerspielen beschäftigen würden. Und wenn? Ja wenn dann steht da ein möglichst metrosexuell wirkender Mitzwanziger vor der Kamera der „uns“ über die aktuellsten Hits aus dem Netz informiert. Meist Youtube-Filmchen die hohe Klickzahlen aufweisen. Genial, ich kann mir also im Fernsehen Videos anschauen, welche unter anderem durch meinen Klick vor zwei Monaten nun erfolgreich genug für… ja genau für wen eigentlich?

 

Natürlich ist es schwer einer Zielgruppe das zu verkaufen was sie selbst erfolgreich gemacht hat. Da reicht es eben nicht jemanden der Hilde eine zimmern will damit sie besser kocht vors Internet zu setzen um ne „hippe“ Jugendshow zu entwerfen.

 

Erst wenn sich „Von Spielern, für Spieler!“ auch in den Betonköpfen der angeblich „Kreativen“ durchgesetzt hat, erst dann gibt es Hoffnung, das sich auch Außenstehende nicht mehr mit Klischee-Vorurteilen ausgestattet auf eine ganze Generation stürzen die schon lang keine Randgruppe mehr ist.

 

Also stay tuned,

Euer Erzkanzler