Ketzer, Ketzer verbrennt ihn! Im Gegensatz zu vielen Publishern kenne ich den Begriff Beta. Aber mal Fischstäbchen in die Fritteuse, wer vier Wochen vor Release eine Betaphase für Spieler live stellt, hat einzig und alleine Marketing im Kopf. Heutige Blockbuster-Games haben Entwicklungszeiten von 2 bis 3 Jahren. Davon auszugehen innerhalb von vier Wochen könnten noch Fehler behoben werden, ist in etwa so realistisch wie die Hoffnung eines Pottwals nächstes Jahr mit dem Osterhasen Weihnachten zu feiern.
Warum ich dieses Thema anspreche? Nun am Freitag war es soweit, tausende Spieler durften in Tom Clancy’s The Division auf den Ladekreis schauen. Und, zumindest bei einigen, endete dies mit Fehlermeldungen. Netterweise hatte sich Red Storm Entertainment entschlossen, diese mit dem allseits bekannten und beliebten Nato Alphabet zu verschlüsseln. Witzige Idee… bis zu dem Zeitpunkt an dem man versucht herauszufinden was sich hinter „Mike 207800015“ verbirgt. Hey nen Fehler mit anstößigem Tinder-Profil… danke Mike, das war deutlich mehr als ich jemals über ein Softwareproblem erfahren wollte. Sollte ich mal ein Spiel auf den Markt bringen, ich würde meine Fehlermeldungen auch nach den bestmöglichen Treffern der Google-Bildersuche benennen. Etwa „Splashes on Glasses 20148“ für Displaytreiber-Probleme.
Wie dem auch sei, ignorieren wir erst einmal welche Fehler außerhalb des Spieles aufgetreten sind. Denn alles in Allem ist mein Ersteindruck ziemlich positiv, grafisch bombastisch und selbst auf meiner betagten GTX 760 problemlos lauffähig. Gut ihr zur Seite steht auch eine potente CPU und genug Arbeitsspeicher, beeindruckt war ich dennoch. Bin ich in den ersten Minuten noch wie wild actionsuchend durch die Stadt gelaufen, fand ich mich kurz darauf langsam laufend, Spiegelungen betrachtend und die Animation von Krähen studierend in mitten des Krisengebietes. Wirklich gelungene Stimmung. Ok, fast… die hölzerne KI der Zivilisten ist… nun sagen wir mal etwas zu deutlich Event-getriggert.
Selbst in einer Ausnahmesituation… wenn mir jemand mit einem M4 Karabiner – schallgedämpft und mit Zielfernglas, einer MP5 Maschinenpistole, einer Handfeuerwaffe und Granaten an der Weste entgegen kommt… würde ich mich mit meinem Kollegen weiter um ein Holzbrett zanken? Vielleicht hat den NPCs aber auch jemand erzählt, dass alle Waffen eine eingebaute Sicherung haben die es unmöglich macht auf Zivilisten zu schießen. Dann wiederum gäbe es aber keinen Grund panisch zu werden wenn sie direkt bedroht werden.
Natürlich ist mir klar, dass es in Spielen (allein schon Aufgrund der BPJM) problematisch wird, wenn man wahllos Zivilisten töten kann. ABER… in the Division wirken die NPCs teilweise hölzerner als Pornosyncronsprecher aus den 80ern. Und warum gibt es keine Grauzonen? Warum zieht nicht mal ein Gegner eine Waffe, der nicht direkt als – ICH BIN BÖSE „rotblinkende Pfeile“ – markiert ist? Ist es nicht eben genau das, was an einer solchen Ausnahmesituation den Reiz ausmacht? Wie verhalten sich Menschen im Katastrophenfall? Nein… Division lässt hier keine Zwischenstufen zu. Alle Aufgaben (zumindest jene die ich spielte) beeindrucken durch klassische „Alternativlosigkeit“ an der unsere Kanzlerin ihre Freude hätte.
Kommen wir aber mal zur dunklen Seite von Division, der Dark Zone. In meinen Augen das Herzstück des Spiels. Ubisoft hat es zwar nie so deutlich gesagt, aber hier spielt die Action – und sind wir mal ehrlich – nur hier. Es ist illusorisch zu glauben mit The Division würde ein MMO die Welt erblicken. Es ist ein Shooter, die PvE-Umgebung ist… ganz nett, wird aber innerhalb von 2-3 Wochen belanglos. Die besten Items gibt es im PvP (der sogenannten Dark Zone) und Inhaltserweiterungen die auch nur ansatzweise reichen könnten um Spieler mit PvE-Inhalten zu versorgen, schaffen selbst die Platzhirsche des MMO-Genres nicht.
Die Dark Zone ist heiliger Gral und Damoklesschwert des Spiels. Denn die Faszination für viele Spieler wird im Messen mit anderen Spielern liegen. Die soziale Komponente die aus Day-Z und ähnlichen Vertretern schon bekannt ist, hält auch hier Einzug. Ist der andere Spieler neutral? Will er deinen Loot klauen? Schießt er dir in den Rücken wenn du an ihm vorbei gehst? Also genau das was in den PvE-Inhalten fehlt, bieten die Mitspieler in der Dark Zone. Ein Prinzip, dass anfangs seinen Reiz hat. Denkt man es jedoch weiter… sind Probleme vorprogrammiert.
Was machen gut ausgerüstete Spieler? Ach ja, das beste Equipment gibt es im PvP… ergo wenn man dies besitzt… wird man damit kein PvE spielen, nein meine gutgläubigen Freunde. Entweder hat das Spiel schnell seinen Reiz verloren oder man ergötzt sich daran anderen Spielern das Leben schwer zu machen. Und dann beginnt ein Kreislauf von Forenflames, Beschimpfungen, Cheatvorwürfen und gegenseitiger Missgunst. Ein hyperrealistisches Abbild unserer Gesellschaft. Nach und nach werden weniger Spieler spielen und die hochgerüsteten Playerkiller langweilen sich. Interessantes soziopathisch angehauchtes Experiment, ob dieses Konzept aber auf lange Sicht für eine breite Masse funktioniert – die Ubisoft braucht um die hohen Entwicklungskosten zu rechtfertigen – wage ich zu bezweifeln.
Ich hoffe ich irre mich, denn die Welt, das Setting und vor allem die Grafikpracht haben mich begeistert. Mein Magic-8Ball sagt jedoch, Division wird in kürzester Zeit belanglos. Es sei denn… ja es sei denn Ubisoft hat noch etwas in der Hinterhand. Wenn nicht, könnte auch Ubisoft bald umstellen und, wie so viele erfolglose Publisher aktuell, sein Heil im Mobile Gaming Markt suchen… aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Blogpost.
Gruß
Erzi
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