Email von Gott
Der liebe Gott sieht alles! So oder so ähnlich steht´s ja wohl in der Bibel (1. Samuel 2,3 und Psalm 139 sagt Google zumindest). Wenn er auch alles liest, dann begebe ich mich jetzt auf ganz dünnes Eis. Also dann lieber Gott, ich wäre dir echt dankbar wenn du die nachfolgende Kolumne diesmal vielleicht einfach nicht liest. Und wenn doch, dann erinnere dich bitte an das Neue Testament, so mit vergeben vergessen und so, du weißt schon.
Würde ich Gott meine Email-Adresse geben? Hmm na ja schon cool wenn Gott dir ne Email schreibt. Aber angenommen er würde mir dann sein Angebot nahelegen…
„HEY KAUF MEINE BIBEL, DIE HAB ICH NICHT UMSONST SCHREIBEN LASSEN!“
oder
„NEU EINGETROFFEN RELIQUIEN AUS TAIWAN, KAUFE ZWEI ZAHLE EINE!“
oder:
„VIAGRA KANN AUCH DIR HELFEN DICH ZU MEHREN!“
Wenn man sich einmal vertan hat, ist dann irgendwie auch dumm. Ich kann Gott ja schlecht auf die Spamliste setzen, wie sieht das denn aus. Spätestens wenn es mich dann doch mal dahinrafft und am Himmelstor steht dann nen Schild:
„Human rejected by server!“
weiß man, das mit dem Spamfilter war ne dumme Idee. Halten wir also fest:
Nein ich würde Gott meine Email-Adresse wohl nicht geben.
Doch warum bin ich dann so freigiebig mit all meinen Daten wenn es um Webaktivitäten geht? Tja weil man kaum noch gefragt wird ob man damit einverstanden ist. Ok ok, ich geb´s zu ich werde gefragt und zwar in einer Ausführlichkeit die kaum noch zu übertreffen ist.
Genau da liegt doch auch der Fehler im System, da schreiben Unternehmen 23-seitige Nutzungsbedingungen die man akzeptieren muss um Kunde zu werden. Nichts gegen einen vernünftigen Vertrag. Gegen ein:
„Alter wir machen das so, ich bekomm meine Kohle dann bekommst Du deine Ware!“
Hab ich nichts einzuwenden, das unterschreib ich gern. Doch bin ich echt der Einzige der vergessen hat „Hier!“ zu schreien als es um die Verteilung von Jura-Diplomen ging? Lesen und verstehen 99% der Nutzer die Nutzungsbedingungen?
„Für Gerechtigkeit müssen wir zu Don Corleone.“
Da sind die Nutzungsbedingungen wenigstens klar! Entweder er bekommt sein Geld oder mein Gehirn an der Wand. Das weiß ich vorher und das mir Don Vito eine Email schreiben wird… davon gehe ich mal nicht aus.
Aber hey Email-Adressen sind doch unproblematisch… und hey wenn jemand weiß auf welchen Seiten ich surfe, was ich anklicke und was ich kaufe, das ist doch auch egal. So zumindest denkt heut anscheinend eine Mehrheit der Internetnutzer. Warum will mir allerdings nicht in den Kopf.
Ein Mark Zuckerberg schafft innerhalb kürzester Zeit, was das CIA seit 1947 versucht hat. Informationen sammeln wer wann was mit wem wo gemacht hat und wer seine Freunde sind. Besser hat das Gott sicher auch nicht in seinem Büchlein stehen.
Würde einem aber ein CIA-Agent hinterherlaufen aufschreiben wo man essen geht, was man kauft und mit wem man schläft, komischerweise hätten die meisten Internetnutzer damit dann doch ein Problem.
Verrückt, einem Unternehmen teilen wir das ohne Probleme mit, bei einer Einzelperson haben wir dann aber doch Bedenken.
Da fragt man sich, warum schützt uns denn der Staat da nicht? Hui, ein Ketzer! Verbrennt ihn auf dem digitalen Scheiterhaufen aus angezündeten Menschenrechten und Meinungsfreiheit!
Sehen wir mal von wirren Entgleisungen der vermeintlichen Terrorbekämpfung ab die ein Staatspräsident eines nicht genannten Landes gerade äußerte! Er möchte doch wirklich alle Internetverbindungen aufzeichnen und Nutzer einsperren wenn sie die „falschen“ Seiten besuchen! Da wird „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ schneller zu „Community, Identity, Stability“ (Brave New World) als man Amnesty International sagen kann.
Gut abgesehen von solchen wirren Ideen ist es doch faszinierend, das sich eine Große Menschenmasse gegen die Datensammelwut wie beispielsweise das sogenannte „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ , kurz ACTA, auflehnen.
Doch die EU winkt ab, die Proteste hätten keine demokratische Legitimierung und würde nur auf nicht ausreichender Aufklärung fußen. Merkwürdig das Bundesverfassungsgericht ist also nicht ausreichend aufgeklärt?
Amnesty International sieht die Menschenrechte (insbesondere das Recht auf ein angemessenes Verfahren, das Recht auf Achtung des Privatlebens, die Informationsfreiheit, Meinungsfreiheit ) auch nur gefährdet weil ihnen einfach keiner erklärt hat, wie das alles ablaufen soll?
Proteste in Deutschland, Frankreich, Kanada, Schweiz der Slowakei und diversen anderen Länder wie etwa Lettland sowie Unterschriftenlisten mit über 2,6 Millionen Unterschriften sind keine demokratische Legitimierung?
Und auf Bundesebene? Auf Bundesebene frage sich „unsere“ Politiker entsetzt wie ein wilder Haufen von Ausgeflippten mit dem Wahlkampfthema „Internet“ in die Landtage einzieht.
Die haben doch alle den Schuss nicht gehört! Da hilft es auch nicht wenn ein Steffen Seibert, seines Zeichens Bundespressesprecher, sich einen Twitter-Account zulegt. Mit 55.000 „Followers“ hat er nämlich kaum doppelt so viele Leser wie ich mit meinem Blog. Inhalte sind wohl ab und an doch wichtiger als das Medium!
Die Datensammelwut kennt kaum ein Ende und die Frage ob die Daten in sicheren Händen sind weicht schnell der Frage wie lange und wofür diese Daten genutzt werden.
Krankenkasse die über Facebook erfährt dass man raucht, trinkt und aufgrund der langen Onlinezeiten im MMO die Kosten für die Behandlung von Sehnenscheid-Entzündungen nicht übernehmen möchte. Arbeitgeber, die im Bewerbungsgespräch mal kritisch nachfragen was Youporn denn für eine Internetseite ist oder eben Don Vito der gern wüsste warum man denn online Poker spielt.
Und warum das alles? Ja genau das Urheberrecht! Das heilige, das unantastbare. Da bangen selbst die Autoren des Tatortes in einem Brandbrief den ein Hassprediger nicht besser hätte verfassen können um ihre Umsätze.
Ja richtig gelesen Tatort-Autoren, eben jene die durch uns alle über GEZ-Gebühren finanziert werden. Es ist kaum vorstellbar, da bezahle ich jemanden für etwas, das ich selbst nicht konsumiere und meine Grundrechte sollen eingeschränkt werden um ihren Job zu sichern. Denn all die Senioren die sich den Tatort über dunkle Portale im Internet anschauen sind eine enorme Bedrohung. Ach Moment die böse Streamingseite ist ja vom ZDF und nennt sich Mediatek! Ui und ich hab nen Premium-Account weil ich GEZ bezahlen muss.
Das alles ist noch vielleicht ganz amüsant zu lesen, aber überlegt man sich, das Unternehmen wenn sie insolvent gehen, immer noch unsere Datensätze ihr Eigen nennen, dann wird mir zumindest ziemlich schnell mulmig.
Ich fand den Ausspruch „Der liebe Gott sieht alles!“ immer schon etwas beängstigend und mit der gleichen Art der soliden „Grundangst“ möchte man nun also auch das Internet beherrschen, dabei sind die gewählten Parteien größtenteils nur noch Marionetten von globalen Unternehmen.
Was vor zehn Jahren klang wie eine Verschwörungstheorie, ist heute blühende Realität geworden. Nun bleibt nur zu hoffen, das es genug informierte Menschen gibt denen eben jene Datensammelwut nicht egal ist. Denn wenn ich mir aussuchen kann wer meine Daten sammeln darf… würde ich sie dann wohl doch lieber Gott anvertrauen. Ich glaub der gibt die nämlich nicht an meine Krankenkasse weiter.
Datenschutz und Urheberrecht, beide Themen zeigen derzeit deutlich das Kunden schon lange zwischen den Rädern von Politik und Wirtschaft zermahlen werden.
So mag man abschließend erneut den Paten zitieren und Politikern, EU und Wirtschaft zurufen:
“Lüg mich nie wieder an. Das beleidigt meine Intelligenz und macht mich sehr böse.”
Euer Erzkanzler
P.S.: Aus diesem Grunde hab ich mich unter Anderem entschlossen den Facebook-Button von meinem Blog zu verbannen.
Das bringt mir vielleicht nicht mehr Leser, aber lässt mich ruhiger schlafen.
Letzte Worte