Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Wenn man so überlegt, der Seehund war Wildtier des Jahres, Toomas Hedrik Lives wird zum Ministerpräsidenten Estlands gewählt und die Wii kommt auf den Markt. Richtig, alles in allem war mir von 10 Jahren wohl auch schon langweilig. Mich beschäftigt jedoch schon lange eine Frage: Waren Spiele damals besser? Bevor ihr nun losstürmt um mich mit dem Mauskabel eurer Razer Mamba zu erdrosseln, haltet kurz inne. Erstens ist die Mamba eine Funkmaus und zweitens, lest doch weiter wie der Erzi zu so einer kruden Fragestellung kommt bzw. zu welchem Ergebnis ihn diese Frage führt.
Ein altes Spiel ist aktuell ja wieder in aller Munde, WoW-AddOn sei Dank. Aber WoW Legion ist in dem Zusammenhang eher am Rande zu erwähnen. Ich denke, bei diesem Spiel ist nicht die Idee des Spiels das faszinierende, sondern einfach eine frühe Marktdurchdringung. WoW ist so ein bissel wie die Tagesschau, es gibt viele die es bunter, aufregender, witziger oder actionreicher versucht haben, letztendlich bleibt aber ein Großteil der Nachrichteninteressierten bei der Tageschau.
Wie dem auch sei. Nachdem ich mit viel Freude The Division gespielt habe, saß ich am Wochenende vor Steam, Origin und UPlay und hab mir einmal die Blockbuster angeschaut. Da kommt ein Battlefield mit der faszinierenden Versionsnummer 1 (is ja erster Weltkrieg ne?). Versteh ich, Battlefield 13 würde auch zu deutlich machen wie sehr die Serie seit 2002 ausgeschlachtet haben. CoD? Uhm… lass mal überlegen sind wir auch bei 13 mit Infinite Warfare. Fallout 4, Mafia 2, Deus Ex, rechnet man The Fall mit, simma auch schon wieder bei fünf. Von Sims, Landwirtschaftssimulator oder Fußballdingens red ich gar nicht erst.
Natürlich könnt ich jetzt wieder über fehlenden Risikobereitschaft von Publishern und Entwicklern philosophieren, aber heute ausnahmsweise nicht. Stattdessen berichte ich über Sacred 2. Datum der Veröffentlichung Oktober 2008 also schlappe 2 Jahre nachdem Seehunde Wildtier des Jahres waren. Ich gestehe, dass der europäische Bison Wildtier des Jahres 2008 war musste ich für diesen Artikel nachlesen. Denn Sacred 2 hat mir (wie auch sein Vorgänger) so viel Freizeit geklaut, dass ein Großteil der bedeutenden Ereignisse an mir vorbeigegangen sein könnte.
Sacred 2 ist aber auch ein „Versionsnummerdingens“ und auch revolutionär im Sinne der Spielidee war es nicht. Selbst der Ursprung Sacred (ohne 2) hat kein „Genre neu definiert“ wie es die Fachpresse so gern postuliert. Nein Sacred war die deutsche Antwort auf Blizzards Diablo-Reihe und das sogar ziemlich beeindruckend. Sacred 2 bot ein umfassendes Skill-System welches einen über die Möglichkeiten eines Diablos nur müde lächeln ließ.
„Boah nehm ich jetzt Energieschildkunde, Härte oder geschärfte Sinne und wie wirkt sich Intelligenz denn auf geschärfte Sinne aus, wenn ich meinen Ring mit geschärfte Sinne + (Intelligenz) anlege? Und lohnt sich das alles?“ Nachlesen konnte man das natürlich alles in der „kleine Hilfe“ im Forum:
http://forum.sacred2.de/showthread.php?t=55017
Eine offene Spielwelt mit irrwitzig vielen Nebenquests und zwei ausufernden Hauptkampagnen. Die Vorzüge einer frei drehbaren Kamera und freiem Zoomfaktor über das Mausrad lassen selbst die technische Umsetzung noch heute glänzen.
Was Sacred als auch Sacred 2 letztlich wirklich zu einem hervorstechenden Spiel gemacht hat, war Liebe und Humor. Ungelogen…
Kostprobe gefällig? Na aber gern doch:
Musste ich mich beim Sacred-zocken doch kurz um meinen Kater kümmern der mal wieder elfengleich meine Tasse Kaffee mit dem Arsch umgeworfen hatte, führte das direkt zu Langeweile meine Spielfigur und „Einfach mal Fresse halten“ ist kein Skill den sie beherrscht:
„Ich weiß gar nicht, was die Leute sich immer über Gewalt in PC-Games aufregen, hier passiert doch nichts!“
tönt es aus dem Lautsprecher. Aber um´s Kaffeeaufwischen komm ich eben nicht umhin. Das interessiert meinen Char aber wenig denn sie philosophiert bereits:
„Ich heisse Cornetta McLoud vom Clan der McLouds. Ich wurde 1342 geboren und seit genau dieser Zeit stehe ich hier dumm in der Gegend rum!“
Doch so wirklich blüht die Gute eh erst auf, wenn die Schlacht tobt. Von einem:
„Glaubst du, es rettet dich, wenn du aus dem Bild läufst?“
über Tiefsinniges:
„Je grüner, desto Ork!“
und Echsenmenschen die sicher nur auf Anregungen wie:
„Dieser Zisch-Akzent ist lustig. Sag mal Seezungen-Soße!“
gewartet haben, bis hin zu wirklich großen Drachen die mit:
„Stattliche Schwingen! Pickst du auch Körner?“
begrüßt werden wollen, erfreut mich Sacred 2 immer wieder auf´s Neue und die Frage meiner Heldin:
„Warum wollen die Game-Designer nur immer, dass wir die friedliche Fauna ausrotten?“
Kann ich problemlos beantworten, WEIL´S SPAß MACHT!
Natürlich, auch das bedrückende Szenario von „The Division“ hat mich gefesselt. Bissigen Humor gibt es auch in aktuellen Spielen wie etwa Portal 2 ab und an. Und natürlich machen witzige Sprüche ein Spiel noch nicht zwangsläufig gut, aber man merkt einfach wie viel Herzblut in dieses Projekt geflossen ist. Jeder Grabstein im Spiel hat eine eigene Inschrift und jede Gegnergruppe einen eigenen Charakter.
Vielleicht verbindet mich mit Sacred 2 auch eine nostalgische Liebe und verkläre diese Zeit. Als ich jedoch die Goldversion über Steam installierte, um dann im noch aktiven Forum des Spiels einen 200 MB Community-Patch zu finden der nach Schließung des Studios entwickelt wurde, beschlich mich Gefühl, ich wäre vielleicht nicht der Einzige der diese nostalgische Liebe empfindet. Sacred 2 ist und bleibt sexy!
Leider zeigt eben diese grandiose Spielereihe auch genau was passiert, wenn diese Liebe zum Produkt nicht besteht. Denn 2014 bringt der Publisher Deep Silver (nach dem wirklich traurigen und unverdienten Untergang des Entwicklers Ascaron) seine Idee des Spiels unter dem Namen „Sacred 3“ auf den Markt, schafft es eine gesamte Community bis ins Mark zu treffen, und die Sacred-Lizenz für immer zu verbrennen. Mit einer Nutzerwertung von 1.4 auf Metascore und der daraus resultierenden Einschätzung „Overwhelming dislike“ (den Button wünsche ich mir für die reale Welt!) sprechen eine deutliche Sprache, egal wie viele Reviews von Fachmagazinen hinzugekauft worden um noch magere 57 im Metascore zu erreichen. Das Unterhaltsamste an diesem Spiel waren die „Reviews“ der Nutzer:
Letztendlich ist es kurios, denn die anfängliche Frage „Waren Spiele damals besser?“ kann ich nicht einmal für mich selber beantworten. Erst rege ich mich über unkreative Versionsnummern-Spiele auf und letztendlich hätte ich mir nur ein Sacred 3 gewünscht das mit aktueller Grafik daherkommt. Denn, ohne Frage, die technischen Möglichkeiten welche heutigen Entwicklern zur Verfügung stehen, sind deutlich besser. Doch dank Community-Patch kann ich Sacred 2 im Jahre 2016 in 2680x1050er Auflösung zocken und von der Grafik her muss es sich nicht einmal verstecken.
Vielleicht ist es viel einfacher als gedacht und ein gutes Spiel ist nach 10 Jahren einfach immer noch ein gutes Spiel. Und die Community rund um Sacred…. Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag.
In diesem Sinne
„Der Gnominativ ist der Todesfall der Gnome.“
Euer Erzi
Letzte Worte