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Jan 03

Der Brieffreund!

Besinnlich sollte es sein, der Ausklang des Jahres! Ein positiver und lebensbejaender Beitrag des Erzkanzlers mit viel Wärme, Herz, Glöckchengeklingel und Wohlfühlfaktor. Ehrlich! Und um zu beweisen, dass es genau so ein Beitrag hätte werden sollte, mich einzig die grausam besinnliche Vorweihnachtszeit mit all ihrem klebrig süßem erzwungenen Harmoniegedöhns davon abgehalten hat, schreib ich den Beitrag jetzt im neuen Jahr. Ätsch, das habt ihr nun davon, dass ihr mich seit August mit Schokoweihnachtsmännern gequält habt.

Nun jedoch zum eigentlichen Thema. Es geht um meinen Opa…. hmmm ne Moment… dieser Anfang klingt etwas merkwürdig. Es geht um Brieffreunde. Na zumindest um die moderne Entsprechung. Denn es ist schon faszinierend, wie sich in einigen Bereichen nur die Technik ändern muss, damit Sitte und Moral ins wanken kommt.

 

 

Gehen wir mal davon aus, ich schreibe meinem Brieffreund in Irland einen Brief, natürlich noch mit einem Füller, so gehört sich das bei Brieffreunden! Tritt nun ein älterer Mensch (nein nicht mein Opa, den lassen wir heute mal aus dem Spiel) in das Zimmer, überkommt ihn wohlmöglich ein warmes, nostalgische Gefühl und die eigene Erinnerung an  Zeiten in denen fremde Länder über Brieffreundschaften entdeckt und erlebt werden mussten. Das Zeppelin konnte sich ja nur die Oberschicht leisten!

 

Sitze ich heutzutage mit meinem Headset vor dem Rechner und spreche gleichzeitig mit einem Spieler aus den USA, Asien und Irland, bleibt von diesem nostalgischen Gefühl nicht mehr viel, zumindest nicht beim älteren Betrachter.

 

Sitzt du schon wieder vor der dummen Kiste? Geh mal raus, such dir echte Freunde, erleb mal was! Ich zu deiner Zeit…

 

Gefühlte drei Stunden später schaltet sich mein Hirn bei den Worten „… wir hatten ja nichts anderes!“ wieder ein. Erstens könnte der Monolog nun beendet sein, und zweitens wird mir klar…. wir haben etwas Anderes! Und die Faszination ist in etwa die selbe wie zu Zeiten der Brieffreundschaften.

 

Man möchte mit anderen Menschen in Kontakt treten und im besten Falle ein wenig von ihrem Leben mitbekommen, mit“erleben“. Sicher, oftmals sind TeamSpeak-Gespräche nicht so „intim“ wie es Briefe von Brieffreunden/innen sein könnten… aber liebe Vor-Email-Generation, wenn ihr wirklich ehrlich zu euch selbst seit… war ein Großteil der Briefe die ihr erhalten und geschrieben habt nicht auch eher belanglos?!

 

Warum ich dieses Thema aufgegriffen habe? Nun, Ende des Jahres war ich beruflich im Süden Deutschlands unterwegs (ja Dubai wäre beeindruckender aber wir bleiben mal bei der Wahrheit) und es ergab sich die glückliche Gelegenheit einen meiner Gildenmember zu treffen, welchen ich zwar schon sehr lange kenne und zu schätzen gelernt habe, doch Angesicht zu Angesicht sind wir uns noch nie begegnet.

 

TeamSpeak sei dank, war mir schon klar, dass er kein junges gutaussehendes Mädchen war. (Ihr kennt alle die Fernfahrerstory oder? An dieser Stelle einen lieben Gruß an unseren gildeneigenen österreichichen Fernfahrer am Anfang der ersten Hälfte des Herbstes seines Lebens). Gutaussehende nette Mädchen hatte ich den ganzen Tag über, also rein berufl… (hmm ok das klingt auch irgendwie merkwürdig…) Wie auch immer. Einigen wir uns darauf, ich war auf einen gemütlichen Umtrunk mit jemandem verabredet mit dem ich zwar schon lange zusammen MMO´s spiele, den ich aber noch nie gesehen hatte.

 

Ich stand am Bahnhof und die einzige „Beschreibung“ die ich hatte war:

Der Große mit Bart“.

Insgeheim wäre mir die Süße mit… egal. Kaum zu glauben, aber wir haben uns auf Anhieb erkannt.

 

Die Schwierigkeit des Ganzen lag nun keineswegs darin Gesprächsthemen, sondern eine Kneipe zu finden. Und mit Kneipe meine ich nun nicht hochherrschaftliche Trinkgewölbe die unserem Rollenspieler-Ethos angemessen gewesen wären… Nein wir suchten einzig eine gemütliche Kaschemme in der es kühlen Gerstensaft zu schlürfen gäbe. Letztendlich beschlossen wir dann, uns in einem bahnhofsnahen… ehm Randexistenzensammelpunkt niederzulassen. Die halbe Stunde Weihnachtsmarkt hat mir den letzten Nerv geraubt und ich brauchte ein Bier. Ich sage euch… dieser Abend wurde legen… *moment* där!

 

Die „lokalen“ Einwohner berichteten nachher natürlich steif und fest, es gäbe an jeder Ecke tolle und sehenswerte gemütliche Kneipen… Das zu überprüfen, ist erneut eine Reise wert, ich glaube es aber erst wenn ich es sehe.

 

Im Gesamten betrachtet, haben wir uns wohl nicht mal eine halbe Stunde über MMO´s unterhalten. Es sei denn man zählt die Geschichte der Liebe seines Lebens dazu. (Ja genau jetzt kommt das positiv-Lebensbejaende von dem ich anfangs sprach). Hat dieser Mensch seine Frau doch im Onlinerollenspiel Ultima Online kennengelernt. Damals richtete er im Spiel eine Hochzeit für zwei virtuelle Charaktäre aus und dies mit solch Liebe und Hingabe, dass seine heutige Frau nicht umhin kam ihn nach der „Zeremonie“ anzusprechen. Der Ausgang der Geschichte ist kein Geheimnis. Da wurd es selbst mir ziemlich warm ums alte Zockerherz. Gut, Hefeweizen macht ja auch gern mal sentimental empfänglicher, aber da sage noch mal einer MMO-Spieler würden durch ihr Hobby sozial vereinsamen.

 

Wie dem auch sei, machen wir es kurz, seinen letzten Zug hat er verpasst. Und für die Strecke welche normalerweise in 40 Minuten zu bewältigen ist, brauchte er knapp 3 1/2 Stunden. Ich konnte glücklicherweise 5 Minuten später in mein Hotelbett fallen. Wir sind uns aber beide einig, gelohnt hat sich dieses Treffen allemal. Es wird wohl auch nicht das letzte dieser Art gewesen sein.

 

Ein weiteres Highlight war dann noch eine Begegnung der außergewöhnlichen Art, so traf ich vor Ort (nein, ich meine nicht mein Hotelbett, pfui was habt ihr für unartige und schmutzige… egal) doch auch noch eine sehr charmante, junge und man mag es kaum glauben, gutaussehende Frau. Nein, das allein ist nicht der Aufhänger, die gibt es auch in Süddeutschland. Aber das diese Frau dann auch noch fließend „Nerdisch“ spricht, Raidleiterin in einer der erfolgreichsten WoW-Gilden ist und Umstehende nicht ansatzweise unseren Gesprächen folgen konnten war faszinierend.

 

Beide Begegnungen haben mir eins sehr deutlich vor Augen geführt. Onlinespiele sind bei weiten sozial-verbindender als ihr Ruf und sogar deutlich mehr als ich persönlich erwartet hatte. Da kann das Relikt des Brieffreundes kaum noch mithalten. Sicher, die Papier-/Füllerromantik mag es nicht klischehaft erfüllen. Dies erfüllen Brieffreund-Briefe aber auch erst in der nostalgischen Rückschau.

 

Lasst euch also nicht einreden euer Hobby wäre unsozial oder würde zur Vereinsamung führen. Denn wie in allen Lebenslagen ist es eine Frage der eigenen Initiative! Organisiert doch 2013 mal ein Gildentreffen, unterhaltet euch, kommuniziert. Nutzt das Medium MMO nicht nur um Zeit zu verbrennen sondern straft all jene lügen die unser Hobby verteufeln wollen.

 

Ich rufe euch zu: Der Brieffreund ist tot, es lebe der Guildenfreund!

So und nun geht in die virtuellen Welten und stärkt eure sozialen Kompetenzen und Kontakte!

P.S.: Man da soll noch einer sagen der Erzkanzler hätte kein Herz.

Euch ein erfolgreiches und interessantes 2013.

 

Euer Erzkanzler