«

»

Dez 23

MMO-notonie

Glanz und Gloria der MMORPGs ist vergilbt. Einst starteten kleine Teams mit mehr Idealismus als finanziellen Mitteln in die noch unberührte Welt der Virtualität. Es sollten Spiele mit unvorstellbaren Möglichkeiten entstehen, Grenzen setzten sich die Spieler nur selbst. Ob verschlagener Schurke, unerschrockener Krieger oder mächtiger Zauberwirker, all das sollte in der Hand des Spielenden liegen.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Boah der redet von uns!“)

Der weitere Verlauf ist Geschichte. Aber ist die Lebenszeit dieser Spielidee begrenzt? Derzeit sieht es so aus, als würden sowohl Spieler als auch Entwickler mit aller Macht daran arbeiten diese Revolution durch Degeneration einem langsamen und qualvollen Ende entgegentreiben.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Öhm, ich hab doch gerad Aktien gekauft…“)

Der Knackpunkt liegt bereits in der Grundidee. In den Anfängen der Computerspiele-Entwicklung waren Genres noch selbsterklärend. Wer ein „Jump&Run“-Game erwarb und seiner Datasette (ja so nannte sich das Bandlaufwerk des C64) überließ, konnte davon ausgehen, nach 30 Minuten Ladezeit und einem Kassettenwechsel bestand die Aufgabe nicht darin, den Pixelhaufen zum Meditieren zu überreden. Auch Spiele wie Ghosts´n´Goblins waren keine Spiele mit wirklicher Entfaltungsfreiheit. Es gab Geister und Goblins, sobald man begriffen hatte weder Geist noch Goblin zu sein, war der spielerische Auftrag ziemlich klar.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Geiles Spiel, dat war noch innovat… oh tach Chef!“)

Ganz anders bei Onlinerollenspielen. Natürlich wartet im Startgebiet ein NPC der uns bittet doch die Hasenplage vor der Stadt zu bekämpfen (was, das aber nur am Rande, für einen Auserwählten und per Definition überragenden Helden eine ziemlich stupide Aufgabe ist). In „analogen“ Rollenspielen, also denen mit Papier, Stift und viel Phantasie, war nun der Spieler gefragt. Ein schwer gerüsteter Krieger hätte die Aufgabe wohl einfach abgelehnt, ein Schurke hätte den Auftraggeber beklaut und ein Magier hätte nur kaum die Augenbraue gehoben und mit Nichten sein Buch weggelegt. Aber so funktionieren MMOs nicht. MMOs bieten in dieser Richtung keine Freiheit. Man kann die Aufgabe zwar ablehnen und dafür lieber für den nächsten NPC Pilze sammeln gehen, aber Rollenspiel im ursprünglichen Sinne ist kaum möglich, und wenn steht es der Spielmechanik meist entgegen.

(lautes Schreien im Entwicklerstudio: „ICH HAB GESAGT TÖTE DEN HASEN!“ und Simon sagt…)

Lang hat es nicht gedauert, bis sich ein Großteil der Spieler diesem Diktat unterwarf. Heutzutage ist es anerkannt, es gibt nur ein Ziel. Schnell und möglichst problemlos zum Maximal-Level und dann im Gruppenspiel Äääääpüx (epische Gegenstände) zu erlangen um mit diesen schneller noch bessere Äääpüxe zu erreichen. Ab und an scheinen mir MMOs zum Abbild unserer Gesellschaft zu werden. Arbeiten für materielle Güter und Erfolg um noch mehr Erfolg und materielle Güter zu generieren.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Brav, der ist auf dem richtigen Weg!“)

Spaß muss das ganze schon lang nicht mehr machen. MMOs sind harte Arbeit! Viel Zeit und in der „normalen Welt“ völlig unnützes Wissen muss eingesetzt werden um das virtuelle Gemächt wachsen zu lassen. Und kaum denkt der fleißige Spieler er wäre am Ziel, kommt von Entwicklerseite die nächstmögliche Steigerung des virtuellen Genitals per Patch.

(leises wispernd packt man sich im Entwicklerstudio in den Schritt..)

Ich erinnere mich mit diebischer Freude an einen Spieler in Ultima Online der entdeckte, dass sich Brot stapeln ließ. Das sich aus Brot auch eine Brücke bauen lässt, welche Kontinente verbindet, hätten wohl auch die Entwickler nicht für möglich gehalten. Zumindest war es eine Arbeit von Monaten und zeigt, nicht jeder möchte am Wettrüsten zwischen Spielern und Entwicklern teilnehmen. Aber diese Spieler sind heutzutage nur noch Randerscheinungen. Selbst ich habe schon längst hingenommen, dass ich mir Spielinhalte erarbeiten muss.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Brot?“)

Aber dieses System hat selbst für den begeisterten Spieler seine Grenzen. Stelle man sich die Situation in der realen Welt vor. Man arbeitet über Jahre darauf hin sich einen Porsche kaufen zu können und letztendlich ist das Ziel erreicht. Der silberne Flitzer steht in der Garage und alle Freunde sind mehrfach bewundernd daran vorbei geführt worden. Keine zwei Wochen später gibt es einen Patch des Bundesverkehrsamtes. Neue Straßen, größer schöner und viel viel schneller. Leider darf ich mit meinen Porsche da nicht fahren. Und meine Freunde lachen nur noch wenn ich ihnen von meinem Porsche erzähl.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Pfff… Porsche… voll last week!“)

Gut bei Handys, Entschuldigung… tragbare Telefone heißen ja nun Schmartphone. Also bei Schmartphones ist es ja schon so, wer kann heute noch mit seinem iPhone der ersten Generation angeben? Vielleicht sollte Apple seine Modellreihen einfach T1, T2 und für die Topmodelle gibt es dann noch den Zusatz R für Raidgear nennen.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „ ich hab nen 4s… is das Raid-Niveau? Ich frag ma die devs!“)

Nun, man mag mir vorhalten die Entwickler würden sich doch bemühen. Ob Events zu jedem erdenklichen Feiertag, ob Spielinhalte auf Knopfdruck oder neue Inhalte im Wochentakt. Aber all dies täuscht kaum über die Einfallslosigkeit hinweg. Nur weil nun auch Hirschkäfer als Reittiere im Herbst-Event zu ergattern sind, wenn man es schafft zumindest einmal in der Woche die Daylie-Quests zu machen, bin ich immer noch ein unzufriedener Kunde.

(Aufschrei im Entwicklerstudio: „HIRSCHKÄFER FTW!!!einzundrölfzig)

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Er hat Kunde gesagt, lass das mal durch die Rechtsabteilung prüfen, darf der das? Hatten wir das nicht in den AGBs ausgeschlossen?“)

Und da ich gerad beim Rundumschlag bin. Neue Instanzen, Raids und Dungeons…. entweder ist ihr Schwierigkeitsgrad vergleichbar mit der Aufgabe eines Hamsters ein Rad zu besteigen, oder man bietet den Spielern eine „harte Nuss“ um ihren Epenis (entschuldigt dieses Wort, ich lernte es als Community Manager im Esport-Bereich) anschwellen zu lassen, wenn sie nach Wochen geschafft haben zumindest den ersten Boss der Instanz zu besiegen.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „lalalalala roflmao dumdidum wir haben noch 2 Wochen bis zum nächsten Milestone!“

Das Spielprinzip wird sich wohl auf Dauer kaum ändern lassen, warum auch, ist es doch genau das was Spieler derzeit erwarten. Aber etwas mehr Kreativität dürften sich die Entwickler doch erlauben.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Krea… WAS?!“)

Es gibt doch bereits „Gearscore“-Addons (also eine Wertung der virtuellen Gegenstände die ein Spieler bereits besitzt) aus der Community. Warum kam noch kein Entwickler auf die Idee den Schwierigkeitsgrad einer Instanz an eben jene zu koppeln? Weil dieses System zu überlisten wäre? Weil Spieler schlechte Items anlegen würden um niedriger „gerated“ zu werden? Kein Problem, koppelt man eben einfach den Loot, also die zu ergatternden Items, an den anfangs ermittelten „Gearscore“ (ja dynamisch generierte Stats… welch faszinierende Idee).

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Die Idee hatt ich doch auch schon…“)

Ab und an sind die Ideen einfach einfach. Sicher es ist nicht der goldene Gral (19 gut ausgestattete Spieler um einen schlechten Auszurüsten), aber zumindest ist so schon einmal mehr Dynamik in den Instanzen. Und sollte ein Entwickler auf die Idee kommen nur die Lebenspunkte des Endgegners zu erhöhen… Programmiere dir bitte eine Zeitmaschine und reise in die 1990er, da war das noch ne dolle Idee.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „(_interntimer_gotoandplay = 1984; False == doh;)“

Warum keine variierende Taktiken der Endgegner? Fehler dürfen dann natürlich nicht unweigerlich zum Misserfolg führen, aber Flexibilität ist plötzlich wichtiger als Internet-Guides die man brav auswendig gelernt hat.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Er hat Internet gesagt, google ma was dat is!“)

Doch neben den ausgetretenen Wegen der Durchschnitt-MMOs scheint der Weg sumpfig und von Dornen gesäumt. Kaum ein Publisher traut sich eben jene Wege zu verlassen. Lieber ein mäßig erfolgreiches Spiel im Mittelfeld als neue Wege. Frei nach diesem Motto wäre WoW noch heute ein Jump&Run nur mit besserer Grafik. MMOs sind nicht groß geworden weil sie Althergebrachtes verfeinert haben („Jump higher & run faster“ hat sich nie durchgesetzt) sondern weil Entwickler die EIER hatten mal etwas Neues zu wagen. Neue Wege zu gehen und auch mal ein Risiko einzugehen.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „geil nen Jump&Run mit der Cryengine wäre doch ma cool!“)

Heute dagegen führt man lieber Pandabären (wie niedlich, wir bekommen die Hello Kitty-Spieler sicher alle noch!) ein und sucht neue „Settings“, also das Ganze in variierenden Szenarien wie etwa der „Realität“. In APB (Weichei wird virtueller Bösewicht, welch geniale Idee. Mach das Opfer zum Täter. Hey ich dachte das schafft die moderne Psychologie noch alleine), das Spiel in welchem man böser gemeiner Gangbanger ist und Wände beschmiert (Wände beschmieren +1) lebt das Ghetto-feeling auf, in Bounty Bay Online darf man Jack Sparrow-Feeling (Arrr… warum gibt’s den Char-Namen Jack nicht mehr?) ausleben und in Star Trek Online (Ich will Borg sein bitte bitte… ui joa dafür zahl ich gern extra. Geld ich cool) versauen wir die Lizenz einer erfolgreichen TV-Serie.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Texas Ranger Online! Ich sach nur Texas Ranger Online!“)

Wer die Idee hat, MMOs könnte man nicht „durchspielen“ der irrt. Übersteigt die Frustrationsgrenze die Innovation des Spiels ist letztendlich einfach Ende und die Spieler wechseln. Nicht etwa zu weniger Übel sondern zu anderem Übel. Denn im Endeffekt wird die Spielerfahrung die gleiche werden, einzig interessant sind neue Animationen, neue Skills neue Klassenfähigkeiten, doch am Ende erwartet den Spieler das Selbe.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „und wenn der dann BLAU funkeln würd?“)

Entwickler die diesen Kreis durchbrechen, haben die Chance eben das zu werden was WoW für die derzeitige MMO-Welt ist. Klassenprimus! Und nicht nur das, nein auch erfolgreich! Das Spieler nur das spielen was sie kennen, ist falsch. Wer mutig genug ist, die gewachsenen und eingelaufenen Wege zu verlassen, hat die Chance Großes zu schaffen und daran zu verdienen. Das setzt allerdings Entwickler-Eier und risikofreudige Publisher voraus.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „also ich hab welche zuhaus, ich könnt die mitbringen!“

Spieler werden es nicht entscheiden, denn nur wer die Wahl hat, hat die Chance zu wechseln. Mit Einheitsbrei, älteren Einheitsbrei ablösen wird nicht funktionieren, egal welch geniales „Free2Play“-Paymentsystem (also ein Bezahlsystem für etwas, was ich kostenlos spielen darf… *dumdidum*) man sich dafür einfallen lässt.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „Free2Play… man dat erzähl ich dem Marketing!“)

So nun fehlt nur jemand der die Eier hat ein neues MMO zu entwickeln, ich hätt da ein, zwei Ideeen.

(leises Wispern im Entwicklerstudio: „…!“)