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Nov 20

Kater vs Efeu…

oder Sandbox vs Themepark.

Gesetzt den Fall an den Interessensgebieten eines 5-Jährigen hat sich im Vergleich zu meiner Kindheit nichts geändert, wird ein Großteil wohl lieber in den Vergnügungspark gehen wollen, so man ihnen die Wahl lässt. Aktuell feiert die Gaming-Gemeinde aber die Rückkehr des Sandförmchens. So viel Sand, und keine Förmchen. Gemeinheit.

Vielleicht mag es mein damals noch kindliches Weltbild gewesen sein, aber ich habe mir, so glaube ich mich zu erinnern, nie die Frage gestellt was „Blanka“ (Street Fighter – Amiga 500) beruflich macht und ob er sein Essen vielleicht auf der Ponderosa-Blanka selbst anbaut. Auch ob die Aliens in Spaceinvader vielleicht nur Ressourcen von A nach B schaffen wollen, die Erde aber einer interstellaren Umgehungsstraße weichen muss, war nie zentraler Punkt meiner Gedankenwelt. Geschweige denn machte ich mir Gedanken über mögliche Konsequenzen für Zangief wenn er Chun-Li (ja, ich mochte Chun-Li) mal wieder mit einem Spinning Piledriver in den Boden rammte.

Heute haben sich Spiele aber weiterentwickelt. Charaktere haben Hunger, brauchen Klamotten (und zwar schöne, nicht nur praktische) ertrinken in DLC-Pools und und und. Kaum noch ein Lebensbereich dessen digitales Pendant nicht schon in die Köpfe eines Spieleentwicklers aufploppte. Die Frage die ich mir ganz persönlich stelle… Warum zu Hölle?

Ja, ich kenne die Faszination der digitalen Freiheit in Computerspielen, mein Gott natürlich haben wir uns damals in Mission Elevator (C64) gefreut, dass man den Lichtschalter benutzen konnte obwohl es keinerlei positiven Effekt bracht. Aber ist „alles können“ als Mantra der Entwickler wirklich der Heilige Gral? Für mich definitiv NICHT.

Ein Beispiel, ich mag Efeu… meine Kater auch. Leider auf unterschiedliche Arten, ich schaue es gern an, er frisst es gern. Interessenkonflikt vorprogrammiert, wäre da nicht der Dörrdaumen des Erzkanzlers ausnahmsweise schneller gewesen als meine altersschwache Katze. Kurz und gut mein Efeu ist vertrocknet.

Ihr fragt euch was zu das mit Gaming zu tun hat? Ehrlich, ich mich auch.

Nicht so in den Köpfen von Spieleentwicklern, denn diese sind ja immer wieder auf der Suche nach spaßigen Alltagsbeschäftigungen die man in Spiele einbauen kann. So geschehen beispielsweise im aktuell hochgelobten Sandbox-Titel ArchAge. Auch hier muss ich Pflanzen pflegen. Gut meine Katze hat keinen Account darum muss ich mir hier keine Sorgen machen. Doch sind Mitspieler leider nicht weniger ansträngend als meine Katze und haben es auf meine Pflanzen abgesehen. Der, in meinen Augen angenehmste, Unterschied: klauen mir Mitspieler meine Pflanzen, kann es mir völlig egal sein ob sie ihren Mageninhalt anschließend auf den Wohnzimmerboden kotzen!

Worauf ich hinaus will fragt ihr? Ok, ein anderes Beispiel: Ich log in mein MMO und laufe zum Questgeber:

Erzkanzler: Grüße, ich bin gekommen um das Land von Drachen und Unholden zu befreien! Sieg der Allianz!

NPC 1: Nimm diese Samen und Pflanze Blumenkohl!

Erzkanzler: Ehm, sorry alter Mann… vielleicht hast du mich nicht erkannt, ich bin *hust* nun ja hier Dingens… Held, Schwert! Schau großes blinkendes Messer… hast du vielleicht fliegende Echsen gesehen? So mit Feuerspucken und…

NPC 1: Hilf Harald sein Haus zu bauen, er benötigt Holz.

Erzkanzler: Samma, hörst mir nich zu? DRACHEN… BESTIEN… EPISCHE SCHLACHTEN! Ach komm, ich such mir wen anders…

Erzkanzler: Wohl an mein tapferer Freund, ich bin gekommen euch zu retten…

NPC 2: Transportschein bitte!

Erzkanzler: Trans…was? WTF sach ma was raucht ihr denn alle für ein Kraut? Hier mein Berufsausweis, schau selber was da steht: H E L D. So und nu schauste ma auf Wiki ob Helden Transportscheine brauchen!

NPC 2: Stelle 3 Salatgewürze her und bringe sie in die Hauptstadt!

Erzkanzler: Gott, sind denn hier ALLE grenzdebil?

Ernsthaft, da muss man sich ja fast schon freuen wenn man nicht für den Händler-NPC die Steuererklärung machen muss. Nichts gegen freie Wahl in Computerspielen, aber irgendwann is doch auch mal gut. Schön wenn ich zwischen Magier, Krieger oder anderen Klassen wählen darf. Toll wenn ich das Aussehen meiner Spielfigur bis ins kleinste Detail anpassen kann, aber die Betonung liegt auf „ICH DARF“. Im Sandbox darf ich auch entscheiden, so kann man auch 90% aller Quests ignorieren… aber mir will einfach nicht in den Kopf warum digitales Pflanzenzüchten so erfolgreich ist.

Ich habe noch müde gelächelt als Zug-Simulatoren auf den Markt kamen, ich hielt ich Landwirtschaftssimulationen noch für ein Nischenprodukt, Spiele wie Farmeville und Floristikus (Browsergame für Blumenliebhaber und Hobbygärtner) waren in meiner heiligen Gamingwelt noch immer die Ausgeburt des Casual-Gamings für unausgelastete „Assistentinen der Geschäftsführung“. Doch heutzutage… tritt mir die digitale Welt mit dem Stiefel der verdigitalisierten Realität kräftig ins Core-Gaming-Gemächt.

Versteht mich nicht falsch, soll jeder spielen was er möchte. Auch für mich gibt es sicher noch Rückzugsorte in Pixelwelten in denen Helden noch Helden sind. Nur kann mir jemand helfen zu versteh woher diese (angebliche) Sehnsucht, unangenehme Aufgaben der Realität auch in der virtuellen Welt erleben zu dürfen, kommt?!

Duke… Entschuldigen Sie, Mr. Nukem…. Sie haben vergessen ihren Herd auszuschalten. Darum ist ihre Wohnung abgebrannt. Nix mit CIA, nix dickbusige Frauen! Hier hopp hopp erst einmal ab in die Sozialwohnung und hier schöööön das Formular zur Prüfung des Brandschutznachweises (§ 67 Abs. 2 Satz 2 BauO Bln)1 ausfüllen…

Wow… der Traum eines jeden Gamers… Oder?

Kein Problem, ich mag realistische Grafik, ich mag schlüssige Welten und ja Tiefgang in Spielen darf auch gerne sein, doch warum zur Hölle sollten mir unangenehme realexistierende Aufgaben meines Lebens (ok wann hab ich das letzte mal Brokkoli gezüchtet, aber nu mal keine Haarspalterei) in meinem Spiel wünschen? Ist es nicht eben das Eintauchen in ANDERE Welten das uns fasziniert? Bin ich der „Last Action Hero“? Sind Gärtner die Idole der neuen Generation?

Vielleicht fehlt mir einfach der Zugang, schon in den 90ern als Tamagotchi´s die Welt eroberten war ich skeptisch.

Tamagotchi 30 Tage am Leben erhalten, Hamster tot! *prost Malzeit*

In diesem Sinne, ich geh mal mein Efeu wegwerfen… im Reallife!

 

Gruß

Erzkanzler